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Der regionale Ansatz!

Die Region als Handlungsebene

Für regionale Zusammenhänge sensibilisieren

Schauplatz wichtiger Transformationen hin zu einem ressourcenschonenden Leben und Wirtschaften sind die ländlichen Regionen. Hier werden erneuerbare Energien produziert, Wälder umgebaut, neue Modelle in der Landwirtschaft erprobt, lokale Entwicklungspotenziale sichtbar. Auf der Ebene gewachsener Strukturen und Verflechtungen lassen sich Veränderungen im Großen und Kleinen aushandeln, erstreiten und umsetzen. Damit Zukunftsaufgaben regionale Antworten finden, muss das Wissen und Können lokaler Akteur:innen produktiv in die Prozesse einfließen können. Zugleich braucht es ein Klima, das Veränderungen befördert und in dem Lösungen sowohl städtisch wie ländlich gedacht werden. Nur so lassen sich lokale Ressourcen fruchtbar machen, ländliche Regionen nachhaltig stärken und Vertrauen in demokratische Strukturen erhalten.

Heute klaffen ländliche Regionen hinsichtlich ihrer demografischen Entwicklung, ihrer wirtschaftlichen Stärke und mentaler Verfasstheit jedoch auseinander. In etlichen dünn besiedelten Regionen schwindet das Vertrauen in demokratische Teilhabe und die eigenen Möglichkeiten, Entwicklung zu gestalten. Dazu mag beigetragen haben, dass engagierten Bürger:innen in ländlichen Großgemeinden lokale Ansprechpartner:innen fehlen und die Wege ins nächste Rathaus oder in die Verwaltung weit sind. Zudem befinden sich viele Gemeinden in einer prekären Finanzlage. Wichtige Transformationsaufgaben bleiben liegen; auch, weil es schwerfällt, die geforderten Eigenanteile aufzubringen, um Förderprogramme des Bundes, der Länder oder der EU abzurufen.

Neuer Rahmen für regionale Entwicklung

Gebraucht werden Ansätze, Selbstwirksamkeit in Regionen zu fördern. Dabei geht es darum, die kommunale Selbstverwaltung zu stärken und Menschen vor Ort zu befähigen, in kleinräumlichem Maßstab Ideen umzusetzen. Ein weiteres Ziel ist, regionale Instrumente zu schaffen, die es Kommunen ermöglichen, sich regional zu organisieren und Herausforderungen gemeinschaftlich anzugehen. Ziel des regionalen Ansatzes ist auch eine neue Wertschätzung ländlicher Räume. Statt ländliche Regionen auf die Funktion von Nahrungsmittel-, Rohstoff- und Energielieferanten zu beschränken, sollen gleichberechtigte Wechselbeziehungen zwischen Stadt und Land entstehen.

Einblicke in die Praxis

Aus den regionalen Besonderheiten schöpfen

Als fruchtbar erwiesen haben sich in der Praxis Ansätze lokaler Initiativen, anstehende Transformationen mit eigenen Ideen, eigenem sozialen und kulturellem Kapital und in eigener Regie zu gestalten. Ein Beispiel dafür ist die gemeinnützige Innovationsplattform ›Silicon Vilstal‹ aus Niederbayern, die sich selbst als ›niederbayrische Trotzreaktion auf die allgemeine Überzeugung beschreibt, Innovation könne nur in Städten entstehen‹. ›Silicon Vilstal‹ bezieht sich im Namen auf das Flusstal der Vils und zeigt durch eigenes Handeln erfolgreich, dass Innovationen gerade in ländlichen Räumen mit ihren kurzen Wegen, direkten Kontakten und vielen Möglichkeitsräumen gute Bedingungen bieten. Ein anderes Beispiel ist die ›Zukunftswerkstatt Schwarzatal‹, die in einer niedergegangenen Tourismusregion Thüringens leerstehende Sommerfrischehäuser neuen Nutzungen zuführt und ein ganzheitliches Nachdenken über die Zukunft dieser Landschaft und ihrer Ortschaften anstößt.

Das Handeln in Regionen ist unmittelbar mit ihren Landschaftsräumen verbunden. Im Schwarzatal ist der Dialog zum zukünftigen Landschaftsbild ein wichtiger Baustein der Entwicklungen. Das Paradigma, das beide Initiativen eint, ist, dass Transformation ›bottom up‹ entsteht. Beide Initiativen sind in ihrer Region verwurzelt, beziehen sich stark auf deren kulturelle Kontexte und schöpfen aus deren Besonderheiten.

Wenn lokale Akteur:innen auf regionaler Ebene gemeinsam Transformationsaufgaben angehen, entstehen Lösungen, die lokale Strukturen stärken, mit denen sich die Menschen identifizieren und die aufgrund kurzer Transportwege nachhaltig sind. Dabei können Ressourcen aus der Region erschlossen, lokale Wertschöpfungsketten aktiviert oder vor Ort Produkte veredelt werden. Bürger:innen können Leerstandsimmobilien als Ressource aktivieren und gemeinwohlorientierten Nutzungen zuführen, sodass Teilhabe und lebendige Ortskerne entstehen. Auch Co-Working in ländlichen Orten zu etablieren oder die Energiewende vor Ort zu gestalten, kann Teil regionaler Transformationsprozesse sein.

›Ins Machen kommen‹ und durch konkrete Schritte überzeugen

Die Erfahrung lokaler Akteur:innen zeigt, dass Projekte und Argumentationen in ländlichen Räumen konkret, greifbar und bodenständig sein müssen, um zu gelingen. Fruchtbar sind oft solche Vorhaben, die Veränderungen in kleinen, niedrigschwellig umsetzbaren Schritten starten. Sie führen zu frühen Erfolgserlebnissen und sorgen für Sichtbarkeit. Dies wiederum schafft Vertrauen in Machbarkeit und verbessert das Veränderungsklima einer Region.

Auch in der Ansprache gilt es, konkret und authentisch zu sein. Es sind weniger Wörter wie ›Resilienz‹, die Menschen zum Mitmachen bewegen, sondern der erfahrbare Mehrwert der Vorhaben. Wenn etwa erneuerbare Energien vor Ort genossenschaftlich geschöpft werden, ist dies nicht nur ein Beitrag zur Energiewende, sondern lässt die Menschen vor Ort auch an der Wertschöpfung teilhaben. Dies schafft Akzeptanz für den Umbau der Kulturlandschaften und zeigt, dass landesweite Anstrengungen regional gestaltet werden können.

Regionale Ressourcen bedeuten neue Wertschöpfung

Der regionale Ansatz spielt eine wichtige Rolle, um die Bauwende umzusetzen. Dort, wo noch neu- und weitergebaut wird, gilt es, nachwachsende oder wiedergewonnene Baustoffe aus der Region einzusetzen. Entscheidend ist dabei, lange Transportwege zu vermeiden, um eine klimaneutrale Gesamtbilanz zu erreichen. Dazu erprobte die IBA Thüringen an mehreren Projekten das Bauen mit Holz aus regionalen Forsten und die Verarbeitung in regionalen Wertschöpfungsketten. Mit 33 Prozent Wald- und Forstfläche bietet der Freistaat Thüringen ideale Voraussetzungen hierzu. Beim IBA Projekt ›Seesport- und Erlebnispädagogisches Zentrum Kloster‹ des Landessportbundes Thüringen entstanden unter anderem Lösungen, die die Hürden des öffentlichen Vergabewesens überwinden. Denn eine Beschränkung auf regionale Rohstoffe und Anbieter widerspricht aktuell der EU-weiten Vergabe, die für nahezu jede größere öffentliche Bauaufgabe anzuwenden ist. Neben der Projektarbeit wurde der digitale Holzbau-Atlas, der das regionale Akteur:innennetzwerk im Bereich Holzbau sichtbar macht, um weitere Informationen zum Bauen mit Holz erweitert. Noch ist das Bauen mit regionalem Holz in Thüringen Pionierarbeit. Umso wichtiger ist ein Austausch und Wissenstransfer zwischen den Beteiligten wie Verwaltungen und Institutionen, Forschung, Bauwirtschaft und potenziellen Auftraggeber:innen.

Transformation braucht Netzwerke und Ressourcen

In ländlichen Räumen spielen auf regionaler Ebene persönliche Beziehungen und Netzwerke eine wichtige Rolle. Sie sind ein wichtiges Gut, das Gestaltungsmöglichkeiten öffnet. Beispielsweise lassen sie sich fruchtbar machen, um Vorhaben zu kommunizieren und sozial zu verankern, Akzeptanz zu sichern und Engagement in
die Breite zu tragen. Auch lassen sie sich nutzen, um Aktiven den Zugang zu technischem Equipment, Flächen oder Leerstandsimmobilien zu ermöglichen.

Um Teilhabe und Selbstwirksamkeit auf regionaler Ebene zu stärken, müssen ländliche Kommunen handlungsfähig werden. Viele befinden sich — zum Teil dauerhaft — in einer Haushaltsnotlage und können nicht die geforderten Eigenanteile aufbringen, um Fördermittel auf Landes-, Bundes- oder EU-Ebene zu beantragen. Auch fehlt es an Wissen und personellen Ressourcen, um den Herausforderungen einer sozial-ökologischen Transformation mit ganzheitlichen Ansätzen zu begegnen.

Um dennoch notwendige Entwicklungen anzustoßen, braucht es ergänzende Instrumente, flankierendes Knowhow und Engagement. Ein solches Instrument ist beispielsweise der Fond ›Sondervermögen StadtLand Thüringen‹, den die IBA Thüringen bei der Stiftung trias eingerichtet hat und der dazu dient, Leerstandsimmobilien zu erwerben und zu aktivieren. Derzeit wird das Vermögen in und für die Region Schwarzatal genutzt; langfristig soll es in ganz Thüringen zum Einsatz kommen. Das Sondervermögen fungiert dabei als ›guter Eigentümer‹ und entzieht die Immobilien dem Markt und der Spekulation. Interessierte Nutzer:innen schließen Erbbaurechtsverträge; auf dieser Basis wird ein dauerhaft gemeinwohlorientierter Betrieb der Gebäude möglich. Über die Verwendung der Zinserträge wird gemeinsam entschieden. Da Boden eine nicht vermehrbare Ressource ist, bedeutet Immobilien- und Grundbesitz für Kommunen, entwicklungsfähig zu bleiben. Gerade in Zeiten, in denen Klimaanpassungsmaßnahmen eine immer größere Rolle spielen, ist dies von essenzieller Bedeutung.

Chancen und Lösungen

Fördermittel auf regionale Transformation zuschneiden

Fördermittel erreichen ländliche Regionen in großem Umfang — doch nur selten kommen sie Transformationen zugute, die Bürger:innen von unten gestalten. Oft sind Fördermittel — beispielsweise für Strukturanpassungsmaßnahmen — strukturkonservativ programmiert und fließen vorwiegend in industrielle Großprojekte und neue Gewerbegebiete.

Damit Fördermittel in den Regionen einen Strukturbeitrag leisten, können sie an Leitbildprozesse geknüpft werden, an denen alle Stakeholder beteiligt werden. Fördermittel sollten bewusst die regionale Ebene adressieren, sich zielgerichtet an basisnahe Akteur:innen richten, Eigeninitiative und Eigenverantwortlichkeit fördern und sich auf lokaler Ebene flexibel ausgestalten lassen.

Um auf regionaler Ebene mutiges Handeln zu unterstützen, braucht es also eine neue Ausrichtung und Praxis der Fördermittelvergabe. Viele Kommunen wie auch Akteur:innen der Zivilgesellschaft bekommen kaum Zugang zu Fördermitteln. Oft fehlen ihnen die Mittel, um die jeweiligen Eigenanteile aufzubringen. Anstelle starrer und einseitiger Förderbedingungen sollte eine ›Vereinbarungspolitik‹ treten, die durch Vertrauen geprägt ist. Sie sollte zudem prozessoffen sein und Scheitern zulassen. Um Aktive schnell und unbürokratisch zu befähigen, kleine Vorhaben umzusetzen, könnte ›kleines Geld‹ (Beträge bis 500 €) helfen, das ohne Vorbedingungen und bürokratische Hürden zu bekommen ist.

Regionale Entwicklung braucht regionale Instrumente

Darüber hinaus sind regionale Entwicklungsinstrumente nötig, mit denen die Regionen ihre eigenen Themen einer sozialökologischen Transformation formulieren und Handlungsansätze finden können. Beispielgebend hierfür sind die REGIONALEN in Nordrhein-Westfalen, die als mehrjährige Strukturprogramme organisiert sind. Aber auch kulturelle Prozesse ermöglichen eine regionale Verständigung und Erfahrungen von Selbstwirksamkeit. Zum Beispiel stiftet das ›Festival der Regionen‹, das seit 1993 zweijährig stattfindet, im Rahmen von künstlerischen Projekten regionale Initiativen an.
Dringend benötigt wird ein neues Verständnis von Planungs- und Verwaltungshandeln, das über die Grenzen von Kommunen hinausgeht. Aufgaben wie Hochwasserschutz oder die Transformation hin zu klimaresilienten Landschaften scheitern an sektoralem Denken, das an Gemeindegrenzen endet. Es braucht Instrumente, die im Maßstab der Region Synergieeffekte und kooperatives Handeln fördern. Auch die Regionalplanung muss hier eine neue Bedeutung und neue Aufgaben erhalten.

Wissen bündeln auf regionaler Ebene

Ländliche Kommunen müssen handlungsfähig werden, um die Herausforderungen der Zukunft gestalten zu können. Dafür brauchen sie nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch das nötige Wissen. Kommunen werden beispielsweise Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel leisten müssen, die ihr Know-how und ihre personellen Ressourcen häufig überschreiten. Helfen können hier Transformationslotsen, die Projekte mit Expertise aus der Praxis begleiten.

Außerdem sollten Ehrenamtliche unterstützt werden. Sie entfalten ein hohes Maß an Aktivität, stoßen aber an Grenzen, wenn es etwa darum geht, Bürokratie zu bewältigen, Fördermittel zu akquirieren oder abzurechnen. Hier können Ehrenamtslotsen helfen. Diese können außerdem Aktive miteinander verbinden und Erfahrungswissen zugänglich machen.

Regionales Verständnis für Planer:innen von morgen

Ein nicht zu unterschätzender Hebel, planerische Instrumente langfristig besser auszugestalten, bietet die Lehre. Hier können Studierende der jeweiligen Disziplinen für ländliche Räume und die neuen Herausforderungen sensibilisiert werden. Denn was heute in Universitäten gelehrt wird, kommt morgen in Politik und Planung an. Ein Format könnte hier ein Land-Semester sein, in dem sich Studierende in ländlichen Gemeinden mit örtlichen Problemlagen auseinandersetzen. Studierende profitieren von neuen Eindrücken und knüpfen Kontakte. Die ländlichen Gemeinden profitieren von neuen Ideen und frischem Wind. Aktuell wird in Österreich dieser Ansatz mit ›Rurasmus‹ in Kooperation mit Hochschulen erprobt. Zukünftig soll es EU-weit als Pendant zum Erasmussemester angeboten werden. An der Bauhaus-Universität Weimar experimentiert man mit ›Regionallaboren‹. Diese sind ein Sonderformat der Lehre, in denen Studierende und Wissenschaftler:innen ein Jahr lang transdisziplinär und integriert mit Regionen in Thüringen zusammenarbeiten.

Darüber hinaus werden Ansätze der Wissensvermittlung zwischen Land und Stadt gebraucht, beispielsweise auf der Ebene der politischen Bildung. Denn es fehlt an gegenseitigem Verständnis, das die Basis für mehr Anerkennung und Wertschätzung bilden sollte. Dies ließe sich ändern, wenn die Ressourcenbeziehungen (groß)städtischer und ländlicher Regionen ins Bewusstsein gerückt würden. Was leistet die Metropole für die ländliche Region? Was leistet die ländliche Region für die Stadt? Wie ist beides miteinander verflochten?

Mehr Vertrauen in regionale Fähigkeiten

Die übergeordneten Ebenen wie Land, Bund oder EU sollten stärker auf regionale Kompetenzen vertrauen, gute und den örtlichen Gegebenheiten angepasste Lösungen zu entwickeln. Weniger ›goldene Zügel‹ in Form von Vorgaben und Bedingungen bei Förderprogrammen würden, dem subsidiären Ansatz entsprechend, regionale Gestaltungsmöglichkeiten erweitern. Dies würde die Verantwortung der Regionen stärken, eigene Antworten auf aktuelle Herausforderungen zu finden und umzusetzen.

Um Entwicklung ›von unten‹ zu befördern, empfiehlt es sich, ›aufsuchend‹ zu arbeiten und Akteur:innen vor Ort in ihren Vorhaben zu unterstützen. Ziel sollte es sein, Entwicklungen anzustoßen oder Projekte umzusetzen, die beispielgebend neue Strategien erproben. Erfolgreich sind hier Ansätze, die mit lokalen Partner:innen bewusst auf Augenhöhe arbeiten und sich tief auf lokale Kontexte einlassen.